Theaterfahrt nach Bayreuth

Das große Drama der Aufklärung, Gotthold Ephraim Lessings „Nathan“, stellt derzeit wohl das Stück der Stunde dar.

Zu naheliegend ist sein Ansatz, das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Religionen mit Respekt und Toleranz zu gestalten, ohne dabei Unterschiede in religiöser Praxis und Tradition einebnen zu wollen, dass es nicht Regisseure landauf, landab auf seine Aktualität befragen würden. Eine derart differenzierte Sicht aus dem Jahre 1779 wirkt angesichts einfachster Problemlösungsvorschläge aus dem Jahr 2017 erschreckend in ihrer Notwendigkeit.

Angeregt von ihrem Deutschlehrer, Markus Brandl, und zusätzlich begleitet von Herrn Ginglseder, fuhren die Klasse 10d und einzelne Schüler der Jahrgangsstufe zur Inszenierung von Werner Hildenbrand in die Studiobühne nach Bayreuth. Wie auch mit beschränkten Mitteln in punkto Personal und Raumangebot dichtes Klassikertheater gelingen kann, zeigten die 140 Minuten in überzeugender Manier. Nathans Aufklärertum, gipfelnd in der Ringparabel und angesiedelt vor den Ruinen einer im syrischen Bürgerkrieg zerstörten Stadt, möchte der Zuschauer fast mitsprechen, in der Hoffnung, dass es dadurch mehr Gehör bekommt. Die Zweifel, ob angesichts aller menschlichen Erfahrungen und der conditio humana, die dazu führt, dass sich Entscheidungsträger doch wieder für die Macht und die (männliche?) Gewalt entscheiden werden, Rettung naht, lassen sich bereits hier mit Händen greifen – zu empfindlich und verletzbar erscheint die ruhige und  mahnende Stimme Nathans und wie aus einer anderen Zeit entnommen. Der Schlussszene des Stücks wurde von Anfang an Kritik entgegengebracht: Sie sei eine pure Illusion und ein frommer Wunsch des Verfassers. Auch Werner Hildenbrand sieht sie skeptisch und entscheidet sich in seiner Inszenierung für eine schockartige Lösung, die angesichts der Bilder aus dem Nahen Osten die Realität massiv ins Stück einbrechen lässt. Im Übrigen auch als mutige Anklage der wirtschaftlichen Komponente im Konflikt, der gerne verkürzt als Clash of Civilizations kategorisiert wird.

Trotzdem: Muss angesichts der lauten Anti-Aufklärung die Vernunft laut sein? Bleibt zu hoffen, dass die Einflussreichen dieser Welt die entsprechenden Hörorgane haben oder sie von Lessing behutsam geputzt bekommen.

Markus Brandl

170301 Theater

(Thomas Eberlein)